Die Echokammer als hermeneutischer Raum

Die sozialen Medien, allen voran Facebook, werden als Echokammern kritisiert, in denen es nicht um Meinungsaustausch, sondern um Bestätigung der eigenen Meinung geht. Die Plattformen potenzieren durch algorithmische Filterung die Selbstbeschallung, durch die keine andere Stimme mehr – die Stimme der Vernunft schon gleich gar nicht – hindurchdringt.

 

Tatsache ist, dass der empörte Aufschrei in der Echokammer nicht veredelt wird. Aus Stein wurde bisher kein Gold gemacht. Aus dem Ruf erwächst keine Erkenntnis, von ihm bleibt nur die bedeutungs-, aber leider nicht wirkungslose, Schwingung. Wie die konzentrischen Kreise eines Steines, der ins Wasser fällt, breitet er sich aus, verflacht, löst sich auf. Das Bild zeigt, dass er nur die Wiederholung des ersten Anstoßes ist, aber keine Bedeutung hervorbringt, sondern nach einer gewissen Zeit verebbt.

 

Doch wissen wir auch, dass ein Medium neutral ist und der Gebrauch entscheidet.

Gibt man in die Kammer Frag-Würdiges darein, wirft jeder Nachhall die Frage erneut auf, aber nicht in ihrer ursprünglichen Gestalt. Sie dehnt sich nicht einfach aus, sondern pendelt zwischen den Ebenen des hermeneutischen Zirkels hin und her. Ihre Dünung rollt auf den Grund zu, den sie mit jedem Mal weiter anhäuft. Sie schwingt gleichmäßig her und zurück und verändert doch immer wieder die Perspektive. Sie liefert nicht zwangsläufig Antworten. Doch ist die Frage nicht selten ergiebiger als ihre Beantwortung. Im Widerhall der hermeneutischen Echokammer spaltet sie sich in immer kleinere Partikel, überschreitet somit ihren Ursprung und weitet den Horizont des Denkens.

 

April 2018