Jill Lepore: Diese Wahrheiten

Der Untertitel Eine Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika trifft es. Denn mir fehlen die politisch-historischen Eckpunkte. Es handelt sich um eine Gesellschafts- und Mentalitätsgeschichte der USA, böse gesagt: um eine Nabelschau. Lepore kommt das Verdienst zu, die blinden Flecke der US-Historie – die Frauen- und Schwarzenbewegung – aufzuhellen und bisher Vernachlässigtem einen Raum zu bieten. Dabei ist legt sie den Finger in die Wunde und beschreibt im letzten Viertel des 1120-Seiten-Buches eine allseits korrumpierte, soll heißen: verdorbene Gesellschaft. Die Verhärtung des Parteiensystems, der Verlust jeglichen Anstands, die Desorientierung eines entfesselten Internets. Es wird einem angst und bange und wünscht sich fast die alten Zeiten, in denen die USA noch als Leuchtturm der Freiheit galten, zurück. Doch Regression ist keine Lösung. Es bleibt nur der mutige Schritt nach vorn in ei Zeitalter, in dem wir eine starken moralischen inneren Kompass brauchen.

 

Jill Lepore: Diese Wahrheiten. Eine Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, München: C.H. Beck 2019, 1120 Seiten.